Lesen wir, was ein ehemals mutistisches Kind heute als Erwachsene sagt:
„Die Zeit meines Schweigens liegt weit zurück und damals hat es überhaupt keine geeignete Therapie gegeben. Dabei ist es so enorm wichtig, den Mutismus rasch zu überwinden. Die Überwindung des Mutismus ist in erster Linie eine Grundsatzentscheidung für das Sprechen, die allerdings sehr schwer ist – das ist der Knackpunkt der Therapie, diese Grundsatzentscheidung zu erreichen – und dann ist es wirklich am Besten, es rasch durchzuziehen. Die Angst kann man nur in den Griff kriegen, indem man sich ihr in ganz kurzen Abständen immer wieder stellt – und ALLE Situationen rasch in Angriff nimmt – sonst bleibt ein Restmutismus noch jahrelang bestehen.“
Eine Therapie, die im Zeitraum von 6 Monaten keine eindrückliche Verbesserung bewirkt, sollte beendet werden; es sollte ein Wechsel der Therapie stattfinden (Prof. M. Doepfner, Uni, Köln, Psychiater für Kinder und Jugendliche).
Das wesentliche Ziel jeder Therapie sollte darin bestehen, das Kind zum Kommunizieren zu führen und zwar nicht nur in der therapeutischen Situation, sondern auch in den alltäglichen, angstbesetzten Situationen.
Da es sich bei Mutismus um eine psycho-soziale Angst, eine komplexe Angststörung mit Verhaltensbesonderheiten handelt, ist die Ausrichtung der Therapie im psychotherapeutischen Bereich zu suchen. Das Fundament einer gelingenden Therapie ist neben fachlicher Kompetenz und Erfahrung des Therapeuten dessen Einfühlungsvermögen in das mutistische Kind. Es sollte dem Kind ein Weg aufgezeigt werden, auf welchem es ohne „Gesichtsverlust“ aus dem Schweigen heraustreten kann. Zielführend ist dabei die gegenseitige Achtung und Wertschätzung.
Laut der Expertengruppe und dem Vorstand der Dt. Ges. f. Kinder- und Jugendpsychatrie und -psychotherapie (Uni.-Prof. R. Castell, Erlangen; Uni.-Prof. M.H. Schmidt, Mannheim; aktualisiert Juni 2000) ist die non-direktive Spieltherapie für mutistische Kinder mit Zurückhaltung zu betrachten. Ausschließlich logopädische/sprachtherapeutische Behandlung ist kontraindiziert.
Beginn der Therapie
Ist die Diagnose Mutismus gestellt, sollte so bald als möglich mit der Therapie begonnen werden. Hält das Schweigen über einen längeren Zeitraum an, haben sich häufig Muster gebildet und es wird dem Kind zunehmend schwerer fallen, aus dem Schweigen herauszutreten. Zwangsläufig entstehen so soziale Beeinträchtigungen.
Über Jahre bestehend, hinterlässt dies unweigerlich Spuren in der Gesamtpersönlichkeit. Monatelanges, ja, jahrelanges Schweigen erfordert zudem eine ungeheure psychische Energie, die auf Kosten anderer Bereiche, z.B. Lernen, gehen kann. Sprechen fällt zum Wisseneswerb aus. So kann es auch, trotz gutem Potential, zu Lern- und Leistungsschwächen kommen.
Therapieziele
In den von uns geführten Beratungsgesprächen erfahren wir von vielen Therapieansätzen. Sei es
- Sprachtherapie
- „mutismusspezifische“ Logopädie
- Ergotherapie
- Reit“therapie“
- Klangschalentherapie
- Puppenspieltherapie
- Sandspieltherapie
- „Bachblüten“
- Verhaltenstherapie
- Gesprächstherapie
- Gruppensitzungen
- Psychodrama (ist für Kinder in Deutschland untersagt)
- „Schweigemonster“
- tiefenanalytische Psychotherapie
- SSRI – Psychopharmaka
aber auch von
- stationären oder teilstationären Klinkaufenthalten.
Eltern berichten von monatelangen, manchmal jahrelangen Therapien, die wöchentlich, vierzehntägig oder nur alle zwei Wochen stattfinden. Häufig wird zur Klinik oder zu SSRI (Psychopharmaka) geraten. Wird das Therapieziel nicht erreicht, werden Eltern ungeduldig.
Prof. Dr. Doepfner sagt nicht umsonst, dass eine Therapie, die das Therapieziel nicht erreicht, nach 6 Monaten beendet werden sollte, denn die Therapie steckt fest und das Kind verliert Lebenszeit.
Mutismus muss kein Schicksal bleiben
Jedes Kind hat eine individuelle Lebenssituation und daher kann eine Empfehlung durch das MBZ zur weiteren Vorgehensweise nur nach einem persönlichen Gespräch erfolgen.