Trennungsangst bei Mutismus
In den ersten zwei Lebensjahren fremdeln Kinder häufig. Dies ist normalerweise ein vorübergehendes Phänomen. Kinder mit Trennungsangst zeigen solches Verhalten noch im Vorschul- oder Schulalter. Die Trennung von den Eltern wird begleitet von Anklammern, starken Emotionen wie Weinen aber auch Schreien. Ein Kind, welches an Mutismus leidet, durchlebt die Trennungsangst meist still, in sich gekehrt, klammernd und vor allem schweigend. Passives, abwartendes Verhalten, stehen im Gruppenraum ohne sichtbare Regung gehört zu einer der Strategien, um mit Trennungsangst umzugehen.
Bei ungefähr zwei bis drei Prozent der 4- bis 13-jährigen Kinder besteht die Angst vor der Trennung weiter. Sie weigern sich ohne ihre Bezugsperson ins Bett, in den Kindergarten oder in die Schule zu gehen. Zu Kindergeburtstagen möchten die Kinder nicht gehen, es sei denn, die Bezugsperson kommt mit. Eine Nacht bei Freunden zu verbringen ist unmöglich; Fahrten zum Landschulheim werden zur Qual.
Kommt es zur Trennung, zeigen die Kinder Schrei- und Wutanfälle, verstecken sich; viele zeigen somatische Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit. „Wenn die Furcht die normale Entwicklung des Kindes behindert, weil es zum Beispiel wichtige soziale Erfahrungen nicht machen kann, sollte Hilfe gesucht werden.“ sagt Frau S. Schneider, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.
Trennungsangst im ICD-Katalog
Die Trennungsangst wird als „ausgeprägte Furcht oder Angst vor der Trennung von spezifischen Bezugspersonen“ definiert. Aktuell noch unter der Ziffer ICD 10 F93.0; ab 2022 unter der Ziffer 6B05. Die neue Ziffer 6B05 weist die Trennungsangst als Angststörung aus. Trennungsangst und Mutismus hat die Internationale Klassifizierung psychischer Erkankungen (ICD) in die Kategorie der Angsterkrankungen aufgenommen, was deren Wichtigkeit unterstreicht.
Bei Kinder und Jugendliche beziehen sich die Trennungsängste in der Regel auf die Eltern, bei Erwachsenen auf den Partner oder die Kinder. Zu den Symptomen zählen wiederholter starker Stress bei einer Trennung, Albträume sowie die Weigerung, getrennt von der Primärbezugsperson (meist die Mutter) zu schlafen, zur Schule oder zur Arbeit zu gehen. Die Symptome halten über mehrere Monate an und führen zu starker Beeinträchtigung in der Familie, im Beruf oder Sozialleben.
Ängste – soziale Phobie – Mutismus
Angsterkrankungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen in der Europäischen Union, in der Schweiz, Island und in Norwegen. Angsterkrankungen liegen mit einer 12-Monatsprävalenz von 14% und ca. 61.5 Millionen Betroffenen an der Spitze der psychischen Erkrankungen. Frauen sind 2- bis 3-mal häufiger betroffen als Männer.
Viele Angsterkrankungen beginnen bereits in der Kindheit und Jugend. Besonders trifft dies auf die spezifischen Phobien und die soziale Phobie zu. Der selektive Mutismus kann bereits im dritten Lebensjahr beginnen. Bei ca. 2 – 3 % der Kinder zeigen sich Trennungsängste in stark ausgeprägter Form.
Eine Metaanalyse von 20 Studien zeigte, dass Kinder mit Trennungsangst ein dreifach höheres Risiko aufwiesen, später weitere psychische Störungen zu entwickeln.
Typische Ängste bei Kinder
Einige Angststörungen angelehnt an Steinhauser (2002) in nachfolgender Tabelle.
Alter | Typische Ängste |
Säuglings- und Kleinkindalter (0 – 2 Jahre) | Trennungsangst als Reaktion auf die Abwesenheit einer Bezugsperson |
Frühe und mittlere Kindheit (2 – 10 Jahre) | Soziale Ängstlichkeit, wiederkehrende (nicht mehr altersentsprechende) Furcht vor Fremden, Gleichaltrigen und/oder Erwachsenen, Trennungsangst als altersunangemessene Angst vor der Trennung von Mutter/Vater/Pflegeperson |
Vorschulalter, mittlere Kindheit (5 – 10 Jahre) | Tierphobie, Dunkelangst, Geräusche, Monster, Gespenster, Einbrecher, Räuber |
Mittlere Kindheit, frühe Adoleszenz (6 – 12 Jahre) | Schulphobie (Trennungsangst von zu Hause), Schulangst (als Angst vor dem Kontext Schule in Bezug auf Leistung, Bewertung und Person) |
Frühe und mittlere Adoleszenz und später (ab 12 Jahre) | Soziale Phobie als Angst vor sozialer Aufmerksamkeit |
Wann wird die Angst zum Problem?
„Angst ist wie ein Monster, welches in uns nistet. Manchmal schwillt es an, wird dick und dicker und verdrängt unseren Mut. es hindert uns, das zu tun, was wir für richtig halten und tun wollen.“ (Martin Luther King zit. in Pölert-Klassen, 2005)
Merkmale einer Trennungsangst:
- Angst oder ängstliche Besorgnis bei Trennung von Bezugspersonen oder von zu Hause.
- Abnorme Dauer der Trennungsangst.
- Ständiges Bedürfnis nach Nähe zur Primärbezugsperson, welche nicht immer die Mutter ist.
- Unterschiedliche Schweregrade der Trennungsangst.
- Ein breites Spektrum von Vermeidungsstrategien (z.B. Weinen, Klammern, Schreien, Weglaufen).
- Soziale und schulische Beeinträchtigung.
In Verbindung mit Mutismus zeigen sich häufig weitere Merkmale:
- Das Kind bleibt in der passiven Beobachterrrolle. „Saugt“ alles auf, bleibt aber passiv.
- Kind steht, sitzt bewegungslos, beobachtet, nimmt nicht aktiv am Geschehen teil.
- Vermeidet zu Essen, Trinken, den WC-Gang, singt nicht mit, verweigert häufig Bewegungsspiele.
- Spricht nicht mit den Pädagogen, Kindern.
- „Kommuniziert“ über Mimik und Gestik, Laute.
- Wird das Kind von der Bezugsperson abgeholt wird es aktiv, lebendig und sprechfreudig.
Links
https://de.wikipedia.org/wiki/Trennungsangst
https://www.mutismus-therapie.de
Fachliteratur
Brisch/Grossmann „Bindung und seelische Entwicklungswege“, Klett-Cotta-Verlag
Franz Renggli „Angst und Geborgenheit“ Sozioklturelle Folgen der Mutter-Kind-Beziehung im ersten Lebensjahr
Omer/Lebowitz „Ängstliche Kinder unterstützen“ Die elterliche Ankerfunktion, Vandenboeck & Ruprecht
Hans Hopf „Angststörungen bei Kinder und Jugendlichen“ Diagnose, Indikation, Behandlung, Brandes & Apsel
Bücher die Kinder stark machen
„Der kleine Ritter“ Daniela Römer und Susanne Wechdorn
„Riesen Geschichte“ Annegert Fuchshuber
„Der Adler, der nicht fliegen wollte.“ James Aggrey
„Maulwurf und der kleine Vogel“ Marjorie Newmann
Inhalt: Eines Tages findet Maulwurf ein aus dem Nest gefallenes Vogelbabay und nimmt es mit nach Hause. Maulwurf gewinnt seinen kleinen Vogel sehr, sehr lieb. Er ist glücklich mit seinem neuen Freund und kann deshalb gar nicht verstehen, dass der kleine Vogel größer und selbständiger wird und eines Tages fortfliegen möchte….
Eine bezaubernde Geschichte über Liebe und das Geschenk der Freiheit.
Mutismus – Beratungs – Zentrum * Wittelsbacher Str. 2a * 82319 Starnberg * Inh. I. Emmerling *
Telefon 08151-5546150
Sämtliche Texte dieser Domain sind urheberrechtlich geschützt; Veröffentlichung, auch in Teilen, nur in Genehmigung der Autorin.