Autismus Selektiver Mutismus

Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung

Autismus ist gekennzeichnet durch qualitative Abweichungen in den wechselseitigen Interaktionen und Kommunikationsmustern und durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire von Interessen und Aktivitäten.

Autismus oder elektiver Mutismus

Sie wird durch eine abnorme und beeinträchtigte Entwicklung definiert. Vor dem dritten Lebensjahr manifestiert es sich; außerdem ist sie durch eine gestörte Funktionsfähigkeit in den drei folgenden Bereichen charakterisiert:

  • in der sozialen Interaktion (fehlender Gebrauch von sozialen Signalen; fehlen von Reaktionen auf Emotionen anderer Menschen; mangelnde Integration von sozialen, emotionalen und kommunikativen Verhaltensweisen; besonders fehlen die sozialen und emotionalen Gegenseitigkeiten

 

  • der Kommmunikation (das Fehlen eines sozialen Gebrauchs vorhandener sprachlicher Fertigkeiten, wie immer diese auch entwickelt sein mögen; es besteht eine mangelnde Synchronie und Fehlen von Gegenseitigkeit und Gesprächsaustausch; geringe Flexibilität im Sprachausdruck; ein beeinträchtiger Gebrauch von Veränderungen der Sprachmelodie durch Stimmsenkung und -hebung, die die kommunikative Modulation widerspiegeln; ebenso ein Mangel an Begleitgestik, welche die sprachliche Kommunikation betont oder ihren Sinn unterstreicht)

 

  • und im eingeschränkten, repetiven Verhalten (es zeigen sich eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten; es liegt eine Tendenz zu starrem, ritualisiertem Verhalten vor; es können stereotype Beschäftigungen vorkommen; motorische Stereotypen sind häufig zu beobachten; auch kann Widerstand gegenüber Veränderungen von Handlungsroutinen vorhanden sein).

Diese qualitativen Auffälligkeiten bei Autismus sind in allen Situationen ein grundlegendes Funktionsmerkmal des betroffenen Kindes. Ein mutistisches Kind zeigt sich innerhalb des familiären Umfeldes kompetent. Es spricht, singt, hüpft und zeigt Gefühle. Außerhalb des Hauses zeigt es das selektiv mutistische Verhalten. Die Auffälligkeiten sind nicht in allen Situationen vorhanden, das unterscheidet Mutismus von Autismus. Autismus ist eine Entwicklungsstörung und Mutismus eine Angststörung.

Autismus tritt bei Jungen drei- bis viermal häufiger auf als bei Mädchen. Mutismus tritt bei Mädchen doppelt so häufig auf wie bei Jungen (Verhältnis 2:1).

In der ICD-10 wird Autismus mit ICD-Code Ziffer „F84.0 Tief greifende Entwicklungsstörungen“ definiert. Mutismus wird in der ICD-11 mit dem ICD-Code Ziffer 6B06Eigenständige Angststörung“ definiert.

Autismus „Das verschlossene Ich“

Der Autismus-Begriff geht auf den Schweizer Psychiater Eugen Bleuler zurück, der ihn schriftlich erstmals 1910 erwähnte. Bleuler hat bei seiner Wortfindung das Vokabular der Psychoanalyse verarbeitet.

In den 1940er Jahren wurde das Störbild zum eigenständigen und spezifischen kindlichen Syndrom. Leo Kanner gilt als erster Kinderpsychiater der USA und es waren seine Texte zum „infantile autism“, die ihm diese Position sicherten. Wenige Jahre vor Kanners vielbeachtetem Aufsatz „Autistic Disturbances of Affective Contact“ veröffentlichte der Wiener Kinderarzt und Heilpädagoge Hans Asperger einen wenig bemerkten Artikel über Kinder, die er als „autistische Psychopathen“ bezeichnete (Asperger, 1938, 1316).

Seit den späten 1980er Jahren drang der Begriff „Autismus“ zunehmend ins öffentliche Bewusststein, nicht zuletzt durch den von Steve Silermann treffend sogenannten RAIN MAN-Effekt (Silbermann, 2015, S.354-380).

Im Mai 2019 wurde die ICD-11 (als Nachfolger der ICD-10) verabschiedet; diese soll 2022 in Kraft treten. Als wichtige Neuerung wird bei diesem Störbild zum Spektrumsbegriff (6A02) übergegangen und nach Schweregrad differenziert. Die bisherigen diskreten Kategorien wie Asperger-Syndrom oder frühkindlicher Autismus fließen in diesen Spektrumsbegriff ein. Das ICD-11 liegt bisher nur auf Englisch vor.

Zur vertiefenden Information:

DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information): Einblick in diverse Klassifikationssysteme und deren Entwicklung https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icf/

WHO (World Health Organisation / Weltgesundheitsorganisation): Zugang zur ICD-11 https://icd.who.int/en/

Literatur

Steve Silvermann; „Geniale Störung – Die geheime Geschichte des Autismus und warum wir Menschen brauchen, die anders denken.“; ISBN 9783832164348; Dumont-Buchverlag

Dagmar H. Mueller und Verena Ballhaus; „Davids Welt – Vom Leben mit Autismus“; ISBN 9783219116113; Annette Betz-Verlag; Eine sensibel erzählte Geschichte über Autismus bei Kindern und wie man damit umgehen kann.

Links

https://www.autismus.de/

https://www.autismus.ch/adressen/sonstige/vereine.html

https://www.autism.org.uk/services/community/centres.aspx